Novum-Verlag interviewte Maria Graf

Die Welt ist so, wie wir sie sehen

Wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem Kinderbuch „Prinzessin Lili gewinnt ihr Lächeln zurück“?

Da die Geschichte während der Arbeit entstand, vorweg ein paar Worte zu meinem Beruf. Ich bin Therapeutin. Bei mir erfahren Menschen, wie der Körper den Seelenzustand beeinflusst und wie die Psyche wiederum das Körpergefühl steuert. Was sich im Aussen zeigt, steht im engen Zusammenhang mit Gedanken und Gefühlen. Um den Ursachen belastender Symptome auf den Grund zu gehen, wende ich unterschiedliche Methoden an. Unter anderem arbeite ich mit Hypnose und schreibe individuelle Kurzgeschichten, in denen sich Kinder als auch Erwachsene mit ihren Problemen widerfinden können und Lösungsmöglichkeiten transparent werden. Einer dieser Texte berührte mich so sehr, dass aus drei Seiten nach und nach das Buch entstand.

Demzufolge gibt es ein reales Vorbild für Lili.

Ja. Lili repräsentiert eine 11jährige Klientin, die Verlustängste hatte und sich einsam fühlte. Das Mädchen sass herausgeputzt wie eine Prinzessin neben ihrer Mutter auf dem Sofa in meiner Praxis. In Händen hielt es einen verfilzten Stoffesel. „Diese rumplige Ding schleppt sie überall mithin“, entschuldigte sich die Mutter. Daraufhin drückte das Mädchen das Stofftier ganz fest an sich. Der Esel war ihr Freund. Er kannte ihre Not, war ihr Beschützer, ihr Held, machte ihr Mut und spendete Trost. Diese verinnerlichten Bilder, an denen ich teilhaben durfte, waren für das Kind ein wichtiger Schritt zu Selbstheilung. Ich schlug eine Brücke zwischen Fantasie und Realität. Und schon war die Geschichte geboren.

Mit Ihrer kindgerechten Sprache verdeutlichen Sie die heilenden Kräfte imaginierter Bilder. Für welche Kinder ist Ihr Buch besonders geeignet?

Da die Hauptperson eine Prinzessin ist, werden sich wohl eher Mädchen in Lilis Alter angesprochen fühlen. Aber auch Jungs finden in der zunehmend abenteuerlicher werdenden Geschichte Anreize und Vorbilder, ihre eigenen Herausforderungen im Leben zu meistern.

Haben Sie das Märchen ausschliesslich für Kinder geschrieben?

An dieser Stelle lasse ich Friedrich Wilhelm Nietzsche für mich sprechen: Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgendeinem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!

Kinder haben noch diese wundervolle natürliche Begabung, sich in der Vorstellung in all das zu verwandeln, was sie sich wünschen. Diese Fähigkeit wird uns leider mit zunehmendem Alter abtrainiert. 
“Fantasier nicht rum. Höre auf zu träumen.“ Solche Sätze werden uns eingeimpft. Dabei ist es gerade unser Vorstellungsvermögen – diese ungeheure Kraft der Fantasie – die uns hilft, Lösungen für unsere Probleme zu finden.